Das Virus ist zurück. Seit Wochen steigt in Südosteuropa die Zahl der Covid-19-Infektionen rapide. Zunächst hatte es so ausgesehen, als würde die Pandemie diese Staaten nur streifen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Österreich hat vor zwei Wochen Reisewarnungen für den Westbalkan sowie Bulgarien und Rumänien ausgesprochen. Flugverbindungen wurden gestrichen, an den Grenzen kontrolliert die Polizei. Dennoch nahmen in Österreich die Infektionen zuletzt wieder zu – viele nach Kontakten zum Balkan.
Noch ist das Niveau niedrig, doch es wird wieder über eine schärfere Pflicht zum Tragen von Gesichtsmasken debattiert. „Wir wollen eine zweite Welle mit aller Kraft vermeiden“, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Frankreich hat die Maskenpflicht schon verschärft. Ungarn die zweiwöchige Quarantänepflicht für Reisende aus der Ukraine und Südosteuropa wieder eingeführt, die EU rät zum Einreisestopp für Besucher aus Serbien und Montenegro.
In Rumänien dauert der Corona-Notstand nun bis Mitte August. In seltener Einigkeit verschärfte das Parlament die Quarantäne-Regeln. Täglich steigt die Zahl der Infizierten. Am Freitag waren es 799 – viermal so viel wie am Sonntag in Deutschland mit seiner viermal so großen Bevölkerung. In Serbien wurden da knapp doppelt so viel Fälle wie in Deutschland gemeldet, das ist gemessen an der Einwohnerzahl fast das Zwanzigfache.
Deutschland ist ein attraktives Auswanderungsziel
Überall gehört das medizinische Personal zum besonders gefährdeten Personenkreis. Nach einer Analyse des Robert Koch-Instituts vom Mai war in Deutschland jeder neunte Infizierte Arzt oder Pfleger. In Salzburg wurde am Wochenende ein Dutzend Ärzte und Pflegekräfte in Quarantäne geschickt, weil sie eine infizierte Patientin behandelt hatten.
Glücklich sind jene Länder, die in der größten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten auf genügend Ärzte und Pfleger zurückgreifen können. Insbesondere für die stark betroffenen Staaten in Südosteuropa gilt das allenfalls eingeschränkt. Das belegt eine neue Studie des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) zur Abwanderung von Ärzten und Pflegern aus dieser Region – vor allem nach Nord- und Westeuropa. Wie ein Magnet haben Deutschland, die Schweiz, Norwegen oder Großbritannien Medizinpersonal von dort angezogen. Gerade Deutschland sei ein attraktives Auswanderungsziel, schreibt die Ökonomin Isilda Mara.
Aktuelle Zahlen der Bundesärztekammer bestätigen das. Demnach stammte Ende 2019 die größte ausländische Ärztegruppe mit 4785 Personen aus Rumänen. Zuwanderungsraten mit zweistelligen Prozentsätzen wurden 2019 für Ärzte aus Serbien, dem Kosovo und Nordmazedonien festgestellt, Bosnien-Hercegovina lag mit knapp 9 Prozent dicht darunter. Den größten Zuwachs verbuchte das deutsche Gesundheitswesen auf Kosten des albanischen: 765 Ärzte mit albanischem Pass waren Ende 2019 in Deutschland zugelassen, 21 Prozent mehr als im Vorjahr.
Auf Abwanderung reagieren Länder mit Ausbildung
Die Dramatik zeigt sich in den Daten, die Forscherin Mara gesammelt hat. Demnach ist das Verhältnis von Ärzten und Pflegern je Einwohner nirgends in Europa so niedrig wie in Albanien. Anders als in vielen anderen Staaten hat es sich seit 2010 nicht verbessert. Waren zu Beginn des Jahrzehnts 7 Prozent der albanischen Ärzte im Ausland, waren es 2019 schon 18 Prozent. Für andere Länder Südosteuropas zeigen die Zahlen in die gleiche Richtung. Es wandern nicht nur Ärzte ab. Zwischen 2010 und 2017 migrierten 423.000 Einwohner vom Westbalkan in die EU – 3 Prozent der Bevölkerung.
July 22, 2020 at 12:26PM
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Wie reiche Staaten in Europa armen Ländern die Ärzte abwerben - F.A.Z. - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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